Die Gedenktafeln des Merseburger Altstadtvereins

Im Jahr 2005 begann der Altstadtverein regelmäßig durch das Anbringen von Gedenktafeln an Persönlichkeiten zu erinnern, die in Merseburg gelebt haben. Vorausgegangen war bereits Jahre zuvor eine Informationstafel, die das jüngere Schicksal des Stadtfriedhofes zum Inhalt hatte.

2001 Informationstafel an der Kapelle des Stadtfriedhofs

Nach Beschluss der frei gewählten Stadtverordnetenversammlung 1990 zur Wiedereröffnung des 1971 vom Rat der Stadt geschlossenen Stadtfriedhofes St. Maximi wurde die baufällig gewordene Friedhofskapelle 1991 - 1994 durch das Evangelische Kirchspiel mit Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt, des Landkreises und der Stadt Merseburg wiederhergestellt. In einem von der Denkmalschutzbehörde des Landkreises betreuten Förderprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt wurden 1993 - 1998 acht barocke Grabdenkmäler der Merseburger Bildhauerfamilien Hoppenhaupt und Trothe, darunter die Figur des Todes von Christian Trothe, konserviert und restauriert. Die Kosten für die Aufstellung der Kopien von Tod und Totengräber, deren Originale 1973 umgestürzt und schwer beschädigt worden waren, trug der Merseburger Altstadtverein.

2005 Orgelbauer Friedrich Ladegast (1818-1905)

Friedrich Ladegast baute die nach ihm benannte Domorgel in den Jahren von 1883 bis1885 und wohnte in dieser Zeit in Merseburg in der Gaststätte „Zum Stern“ auf dem Neumarkt. Da sich sein Todestag am 30.05.2005 zum 100. Male und die Weihe seiner Orgel am 26.09.2005 zum 150. Male jährte, wurde am 30.08.2005 am oben genannten Gebäude eine Tafel enthüllt.

Tafeltext:
Friedrich Ladegast wohnte hier 1853 bis 1855 während des Baues der Merseburger Domorgel.
Merseburger Altstadtverein

2006 Sängerin Elisabeth Schumann (1888-1952)

Elisabeth Schumann wurde am 13.06.1888 in Merseburg in der Gotthardstraße 27 geboren. Schon als Kind fiel sie in der Öffentlichkeit mit ihrer wunderbaren Stimme auf und wurde von den Merseburgern "Singelieschen" genannt. Die später weltbekannte Opern-, Lieder- und Oratoriensängerin galt insbesondere als ausgezeichnete Mozart- und Straußinterpretin. Sie wirkte ab 1909 am Stadttheater Hamburg, ab 1919 an der Wiener Staatsoper, gastierte an der Metropolitan Opera New York und feierte große Erfolge bei Konzerttourneen in vielen europäischen Ländern sowie in Nord- und Südamerika. 1938 emigrierte sie in die USA und verstarb am 23.04.1952 in New York. Eine Tafel zu ihrem Gedenken wurde am 13.06.2006 an ihrem Geburtshaus angebracht.

Tafeltext:
In diesem Haus wurde am 13.9.1888 die Sopranistin Elisabeth Schumann geboren. Sie wirkte am Stadttheater Hamburg, an der Wiener Staatsoper und an der Metropolitan Opera New York.
Merseburger Altstadtverein

2007 Naturwissenschaftler Ernst Haeckel (1834-1919)

Ernst Haeckel kam im 2. Lebensjahr durch die Berufung seines Vaters zum Regierungsrat nach Merseburg, ging hier zur Schule und legte 1852 als Domgymnasiast sein Abitur ab. Schon als Schüler zeichnete er sich durch zeichnerisches Talent aus, das er später in seinem Werk "Kunstformen der Natur" meisterhaft zur Anwendung brachte. 1862 wurde Haeckel Professor für Zoologie in Jena und durch seine wissenschaftlichen Arbeiten weltbekannt. Da das zuerst in Merseburg bezogene Wohnhaus (die so genannte "Salpeterhütte") in der Großen Ritterstraße 5 und auch spätere hiesige Wohnanschriften nicht mehr aufzufinden sind, wurde das Portal des alten Domgymnasiums (südlicher Zugang zum Kreuzgang) als Ort für das Anbringen einer Gedenktafel am 11.10.2007 ausgewählt.

Tafeltext:
Der Naturforscher Ernst Haeckel verlebte Kindheit und Schulzeit in Merseburg und legte 1852 am Domgymnasium sein Abitur ab.
Merseburger Altstadtverein

darüber das vom Altstadtverein erneuerte Schild
Portal des ehemaligen Domgymnasiums von 1575, ursprünglich am 1883 abgebrochenen Westflügel der Klausur, Maßwerk des Kreuzganges aus dieser Zeit

2008 Architekt Friedrich Zollinger (1880-1945)

Friedrich Zollinger erhielt 1918 die in Merseburg geschaffene Stelle des Stadtbaurats. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, durch den Neubau ganzer Stadt¬viertel der drängenden Wohnungsnot zu begegnen, die durch die Ansiedlung Tausender Arbeitskräfte für das 1916 gegründete Ammoniakwerk Merseburg (Leuna-Werke), für die Erschließung neuer Kohlegruben im Geiseltal sowie durch die Aufnahme vie¬ler Flüchtlinge bedingt war. Zwischen 1922 und 1929 ließ er in zehn Siedlungsgebieten nahe und westlich der Bahnlinie nach Halle insgesamt 1086 Neu¬bauten mit 2523 Wohnungen neu aufführen und brachte dabei eigene konstruktive Ent¬wicklungen (Schüttbeton-Gußbauweise und Lamellendach) zur Anwendung. Im Zollingerbauverfahren entstand als 3-stöckige Zeilenbebauung nach 1928 auch die sog. GAGFAH-Siedlung. Diese ist seit dem Jahr 2008 durch Abriss verschwunden.

Das Zollinger-Freiluftprojekt an der Albrecht-Dürer-Schule und eine am 29.04.2008 dort enthüllte Tafel mit ausführlichen Informationen erinnern an die ehemalige GAGFAH-Siedlung und an deren Erbauer, dessen typische Dächer weiterhin ganze Stadtteile Merseburgs prägen.

2009 Schriftsteller Walter Bauer (1904-1976)

Walter Bauer wurde in Merseburg geboren und verbrachte hier seine Kindheit und Jugendzeit. Durch Förderung konnte das mittellose Kind einer Fuhrknechtsfamilie das Merseburger Lehrerseminar besuchen und arbeitete in Leuna als Hauslehrer, bevor er in Halle als Volksschullehrer eingestellt wurde und mit seinem Buch "Stimme aus dem Leunawerk" bekannt wurde. Die Erlebnisse der Merseburger Zeit beschreibt er einfühlsam in "Geburt eines Poeten".
Da die Stadtbibliothek seit 1994 seinen Namen trägt, brachte dort der Altstadtverein gemeinsam mit dem Freundeskreis Literatur am 18.06.2009 eine Gedenktafel an.

Tafeltext:
Der Schriftsteller Walter Bauer wurde am 4.11.1904 in Merseburg geboren und verlebte hier Kindheit und Jugend. Die Stadtbibliothek pflegt sein Werk und trägt seit 1994 seinen Namen.
Merseburger Altstadtverein Freundeskreis Literatur e.V.

Im Zusammenhang mit der Veranstaltung "Merseburger Frauenmosaik" am 11.03.2008 initiierten Kristina Kliche und Renate Endler eine Spendenaktion, um mit einer Gedenktafel analog denen des Altstadtvereins an die Tanzpädagogin Ursula Podolsky zu erinnern. Der Altstadtverein wurde gebeten, sich mit seinen Erfahrungen der Planung und Realisierung dieses Projektes anzunehmen.

2009 Tanzlehrerin Ursula Podolsky (1904 -1974)

Generationen von Merseburgern haben vor, im und nach dem II. Weltkrieg bei Ursula Podolsky das Tanzen und die Regeln des guten Benehmens gelernt. Da das Grundstück vor dem Klausentor, in dem sie in den letzten Jahrzehnten lebte, vom üblichen Fußgängerverkehr weit abgelegen ist, wurde als Ort für die Gedenktafel jene Stelle ausgewählt, an der einst ihr Geburtshaus, das Hinterhaus der Gaststätte "Zur Linde" in der Gotthardstraße, gestanden hat.
Am 16.07.10 wurde die Tafel am Pfeiler vor dem Eiscafe auf der Kliaplatte enthüllt.

Tafeltext:
Hier stand das Geburtshaus der Tanzlehrerin Ursula Podolsky (1904 - 1974). Sie unterrichtete von 1925 bis zu ihrem Tode ungezählte Merseburger im Gesellschaftstanz.
Ihre dankbaren Schüler

2010 Bildhauer Johann Michael Hoppenhaupt jun. (1709 - 1779) und
Mediziner Carl von Basedow (1799 - 1854)

Bei der Neufassung des Heftes "Historischer Neumarkt - Die Geschichte der Häuser" kommt die wechselvolle Geschichte des Gebäudes Am Neumarkttor 2 (Schuhhaus Schmidt) wieder ins Bewusstsein. Das Haus selbst ist schon als "alte Ressource", also als Gesellschaftshaus der Merseburger Ressourcengesellschaft, die erst im Jahr 1816 an der Brauhausstraße einen Neubau bezieht, ein Hinweisschild wert. Ein solches erinnert seit dem 16.07.2010 auch noch daran, dass darüber hinaus hier zwei berühmte Bürger Merseburgs gewohnt haben.

Johann Michael Hoppenhaupt jun.

Johann Michael Hoppenhaupt (auch II genannt) wurde als ältester Sohn seines gleichnamigen Vaters (Johann Michael Hoppenhaupt I) 1709 in Zittau geboren, kam 1711 mit seiner Familie nach Merseburg und erhielt hier in der väterlichen Werkstatt wohl auch seine Ausbildung. Nach Tätigkeiten in Dresden und Wien beauftragte ihn der preußische Hof mit Arbeiten in Potsdam und Berlin. 1748 erwarb Hoppenhaupt als "Königlich- Preußischer Hof- und Cabinetsbildhauer" mit dem Kauf des Hauses am Neumarkt das Bürgerrecht in Merseburg. Von Bedeutung wurden seine Arbeiten für Friedrich II. und das Berlin-Potsdamer Rokoko. Er führte aber auch Titelkupfer zu Lessings Schriften oder Innendekorationen im Schloss Dessau-Mosigkau aus und gestaltete sein Merseburger Wohnhaus um. Er starb in Merseburg und wurde auf dem Stadtfriedhof beigesetzt. Dort kann man heute noch den bekannte "Buckschen Bogen" als eines seiner Werke betrachten.

Carl von Basedow

Carl von Basedow ließ sich 1831als praktischer Arzt in Merseburg nieder. 1840 beschrieb er die als Merseburger Trias bekannt gewordenen Symptome der später nach ihm benannten Schilddrüsenerkrankung. Er wurde Kreisarzt und praktizierte bis zu seinem Tode in Merseburg. Auf dem Stadtfriedhof erinnert eine Grabstele an ihn. Da die alte Ressource das wahrscheinlich einzige noch existierende Gebäude ist, in dem Carl von Basedow in Merseburg gewohnt hat, erschien seine Würdigung an diesem Gebäude angebracht.

Tafeltext:
Erbaut um 1600. 1748 - 1770 mit den dazugehörigen Weinbergterrassen oberhalb der gegenüberliegenden Burgmauer Eigentum des Bildhauers Johann Michael Hoppenhaupt jun. (1709 - 1779).
Danach vor dem Bau des Gesellschaftshauses an der Brauhausstraße 1816 von der Merseburger Ressourcengesellschaft genutzt ("Alte Ressource").
1831 Wohnsitz des Mediziners Carl von Basedow (1799 - 1854).
Merseburger Altstadtverein

2011 Acht Bauernkriegsopfer in Merseburg 1525

Im Zuge der Bauernkriege forderte die Merseburger Bürgerschaft mehr Rechte vom Bischof und versuchte u.a. auch die Domfreiheit zu stürmen. Nach der Niederlage der Bauernheere in der Schlacht bei Frankenhausen am Sonnabend nach Pfingsten 1525 kam Herzog Georg von Sachsen nach Merseburg. Er belegte die Stadt mit 3000 Gulden Strafe und ließ in einer Racheaktion acht Männer auf dem Markt enthaupten.

Tafeltext:
Am Sonnabend nach Pfingsten 1525, nach der Schlacht von Frankenhausen und am Ende des Bauernkrieges, ließ der Befehlshaber Herzog Georg von Sachsen acht Männer aus Merseburg und Umgebung herausgreifen, foltern und auf dem Marktplatz enthaupten. Sie wurden einer alten Chronik zufolge "unter dem Steige am engen Gäßlein nach dem Marckte in einem Loche alle achte begraben".
Merseburger Altstadtverein

2012 Journalist und Autor mundsprachlicher Texte Paul Kundt (1895 - 1991)

Paul Kundt, der sein ganzes Leben in Merseburg verbrachte, ist der Allgemeinheit als Baul von dr Soale und Verfasser der Merscheborcher Babeleien bekannt. Darüber hinaus war der als Redakteur, dann als Mitarbeiter der Innungskrankenkasse und schließlich im Zentralarchiv arbeitende Kundt stets ein kritischer Begleiter des Zeitgeschehens und engagierter Stadtführer. Als Querkopf war er sowohl unter den Nazis als auch zu DDR-Zeiten inhaftiert. So machte er z.B. die Absicht, das Goethe-Theater in Lauchstädt in ein Kino umzugestalten, öffentlich. Es wäre somit falsch, dieses Original lediglich auf seine Babeleien zu reduzieren. Mit seinen Tagebüchern hat Kundt auch ein umfangreiches Werk hinterlassen, das ihn als aufmerksamen Beobachter des Zeitgeschehens und besonders lokaler Ereignisse ausweist.
Zum Gedenken an diesen Mitbürger wurde an dessen Wohnhaus in der Großen Ritterstraße 27 am 24.10.2012 eine Tafel angebracht.

Tafeltext:
In diesem Haus lebte von 1940 bis 1990 der heimatverbundene aufrechte und freundlich-ironische Betrachter Merseburger Geschehnisse Paul Kundt (1895 - 1991) unter dem Pseudonym Baul von dr Soale Autor der humorvollen "Merscheborcher Babeleien".
Merseburger Altstadtverein